
Sonntags um zwei auf dem Röthof
Alles ist vorbereitet: Das Team vom Hofcafé freut sich auf die Gäste – wie jeden Sonntag. Für die Männer am Buffet ist dieses Angebot Teil ihrer Therapie.
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Es ist eine ganz besondere Stimmung – hier oben auf dem Röthof, oberhalb der Stadt Schmalkalden. Friedlich, ruhig, entspannt. Das Gegenteil von dem, wie sich die Bewohner viele Jahre ihres Lebens gefühlt haben. Der Wind weht an diesem Sonntag, eine willkommene Brise, denn es sind über 30 Grad Celsius. Doch wenn der Zeiger der Uhr im Hofcafé auf die „2“ zugeht, wird es lebendiger: Die Gäste sind im Anmarsch. Ja, die meisten von ihnen spazierenwirklich aus Schmalkalden hier hoch, viele jeden Sonntag. „Unsere Stammgäste“, sagt Daniel mit einem Grinsen im Gesicht.
Er hat noch nicht viel zu tun, ist an diesem Tag für den Abwasch zuständig, schnell holt er noch ein paar Schachteln Eier und stellt sie neben die Kasse. Die Eier verkaufen die Bewohner zum Mittwochsmarkt in der Stadt. „Ich fahre sie auch aus, zu Ärzten und Apothekern, weil die ja nicht zum Markt kommen können“, begründet Daniel. Der Tiefenorter ist ein Rückkehrer.
Als es nach der ersten Entlassung nicht klappte, zog er wieder ein, 15 Jahre lebt er nun insgesamt hier. Er hatte es nicht geschafft, „draußen“ nüchtern zu bleiben. „Herr Weisheit hat eine typische Geschichte hinter sich. Im Dorf gehörte Alkohol seit der Jugend dazu“, sagt Diana Wolff die Leiterin des Immanuel Therapiezentrums auf dem Röthof, das das Hofcafé seit 2014 betreibt.
Alltag und Zusammenhalt auf dem Röthof
Seine Eltern besuchen Daniel regelmäßig, früher kam auch die Oma noch mit. Als sie mit 92 Jahren stirbt, begleitet Diana Wolff ihren Schützling zur Trauerfeier. Familie ist ein großes Wort, aber familiär geht es zu, hier oben, in der eigenen Welt des Röthofs. Viele Bewohner, deren Weg vom Wohnheim über die Außenwohngruppe zum ambulant betreuten Wohnen führt, sind oft Jahre hier. „Frau Wolff ist für uns wie eine Mama“, sagt Daniel und schmunzelt. Die so Bezeichnete lächelt.
Hinter den beiden hat sich eine Schlange gebildet. Ein Gast nach dem anderen kommt ins Hofcafé, um sich den Kuchen auszusuchen – es gibt immer zwei Rahm- und zwei Streuselkuchen sowie zwei wechselnde Kuchensorten. Heute stehen Kirsch-Keks- und Pfirsich-Keks-Sahneschnitten im Tortenkühler. Eine Tasse Kaffee dazu – und ab geht’s raus auf die Terrasse unter die Sonnenschirme.
Das Damentrio Renate Schatt, Renate Münch und Margit Rust hat Verstärkung dabei, Bertram Guthmann als Fahrer, „weil es heute zu heiß war“, sagt eine. Die anderen sind gelaufen. Die Freundinnen kennen sich schon viele Jahre, zwei sind im Eichelbach zusammen aufgewachsen. Sie kommen hierher, auch im Winter, „weil es angenehm ist, hier hoch zu laufen, das hält uns jung“, sagt die 84-Jährige Renate Schatt. „Hier gibt es schönen Kuchen, schönen Kaffee und schöne Unterhaltungen“, ergänzt Margit Rust. „Und natürlich die wunderschöne Aussicht“, fällt Renate Schatt noch ein.
Zwischen Backkunst und neuen Chancen
Der Zella-Mehliser hat alle Zutaten im Kopf und kennt die Kniffe, etwa, „dass man das Ei beim Rahmguss vorsichtig unterheben muss und nicht einfach einrührt“. Er wohnt seit zwei Jahren in der Außenwohngruppe und hat jetzt jemanden gefunden, den er für die Bäckertätigkeit anlernen will. Martin Urban hat Spaß daran und Maik Röser ist stolz, dass er einen engagierten und wissbegierigen Mitstreiter hat. Das Café öffnet auch für angemeldete Geburtstagskaffees.
Kuchen können auch außer der Reihe bestellt werden. Röser selbst hofft auf einen Job, am liebsten in der Küche des Standortes der Immanuel Albertinen Diakonie in der Johannes-Saal-Straße, wo er schon als Praktikant war und mehrmals geholfen hat. „Wir versuchen, im Rahmen der Tagesstruktur herauszufinden, wo jeder Bewohner seine Stärken hat. Oft fängt es langsam an, dann wird die Mitarbeit mehr“, sagt die Einrichtungsleiterin. Das Wichtigste für die Suchtkranken sei, Struktur in den Alltag zu bekommen und eine Aufgabe zu haben.
Wenn sich die Gäste bedanken, dass es gut geschmeckt hat, „dann bin ich stolz“, sagt Maik Röser. Daniel kommt dazu, weil er unbedingt noch von der „Birnenfrau“ erzählen möchte. Eine Asbacherin, die gerne Birnenkuchen isst und der Daniel auch schon zu Hause im Garten half. „Sie hat uns im Herbst Birnen vorbeigebracht“, sagt Daniel. Nur eine von vielen schönen Geschichten, die auf dem Röthof geschrieben werden.
Silke Wolf, Südthüringer Zeitung
Foto: Silke Wolf